Seitengänge! Das wichtigste Werkzeug für ein Balanciertes Pferd!
Für mich mit die wichtigsten Lektionen in jeder Reiterei.
Angefangen bei einem Schenkelweichen (welches Viele noch gar nicht als Seitangang bezeichnen),
über das Schulterherein bis hin zur Traversale.
Sie gymnastizieren das Pferd uns schulen vor allem die Balance!
Diese ist beim Reiten nicht nur für den Reiter sehr wichtig, sondern vor allem für das Pferd.
Ohne Balance wird es nie eine Versammlung geben, geschweige denn Durchlässigkeit.
Egal ob ich jetzt mit meinem Pferd „freizeitmäßig“ im Gelände unterwegs bin oder auf dem Platz schwere Lektionen reite, die Seitengänge gehören für mich IMMER dazu.
Früher haben wir (Bill und ich) uns sehr schwer getan mit den Seitengängen.
Ich saß nicht in der Balance und somit hatte Bill gar keine Chance die für ihn ebenfalls schwierigen Lektionen zu absolvieren.
Mittlerweile fällt es uns leicht und grade das Schulterherein ist unverzichtbar beim Aufwärmen von uns beiden!
Das viele üben hat sich gelohnt und Bill ist deutlich balancierter und vor allem „gesetzter“ unterwegs.
Angaloppieren aus dem Stand? Kein Problem.
Ohne Seitengänge und ohne die richtige Muskulatur die durch diese Übung aufgebaut wird, wäre das nicht möglich.
Grade was das Thema Galopp angeht bekomme ich so häufig die Frage gestellt wie wir zu einem versammelten und balancierten Galopp gekommen sind.
Ohne Seitengänge wären wir heute nicht so weit und ich bin sehr froh das wir BEIDE immer dran geblieben sind und weiter geübt haben… bis es eine Selbstverständlichkeit geworden ist.
Hier habe ich euch mal die wichtigsten Seitengänge (aus meiner Sicht) aufgelistet:
Das Schenkelweichen:
Eigentlich gar kein Seitengang, aber wichtig fürs Schenkelgehorsam!
Beim Schenkelweichen lernen Anfänger, wie wichtig es beim Reiten ist, seine drei wesentlichen Hilfen – Gewicht, Schenkel und Zügel – aufeinander abzustimmen.
Sie finden heraus, dass nur bei gleichzeitigem Einsatz dieser drei wesentlichen Hilfen viele Dinge erst möglich werden.
Der Schritt ist besonders geeignet zum Schenkelweichen.
Der Reiter kann in der Schrittphase sich auf seine Hilfen konzentrieren und lernt so diese aufeinander abzustimmen.
Im Trab macht es für mich wenig Sinn., da das Pferd nicht in Bewegungsrichtung gebogen ist und somit der gymnastizierende Effekt oft ausbleibt.
Allgemein wird das Schenkelweichen in 45 Grad Abstellung zum Hufschlag geritten! Für Jungpferde die perfekte Übung um dem Pferd den seitwärtstreibenden Schenkel zu erklären.
Das Pferd wird mit dem Kopf nach außen zur Bande gestellt und der äußere Schenkel (der dann zum inneren wird) treibt die Hinterhand nach innen.
Das Pferd ist dabei nur im Genick gestellt und nicht im Körper gebogen, Vorder- und Hinterbeine sollen kreuzen. Gleichzeitig müssen vier Hufschlaglinien frontal von vorne zu sehen sein beim Schenkelweichen. Das heißt, jedes Pferdebein folgt seiner eigenen Linie.
Wenn das Pferd gelernt hat dem seitwärts treibenden Schenkel zu folgen, sollte zügig in den nächsten Seitengang gewechselt werden.
Das Schulterherein:
Das Schulterherein ist eine versammelnde Übung.
Versammlung bedeutet, dass die Hinterbeine mehr Last aufnehmen.
Dazu muss das Pferd die Hanken beugen und die Kruppe absenken.
Dabei wird die Vorhand entlastet. Wenn die Hinterbeine in dieser Position vortreten, wird der Rücken aufgewölbt und der Widerrist angehoben. Die Rückenlinie gedehnt und die Bauchmuskulatur spannt sich an.
Beim Schulterherein wird die Schulter des Pferde nach innen geführt.
Innen Stellung und Biegung bleiben erhalten.
ACHTUNG! nicht überbiegen!
Ohren des Pferdes bleiben auf einer Linie mit dem Wiederrist!
Beim Schulterherein läuft die Hinterhand geradeaus auf dem Hufschlag.
Die Vorhand wird in die Bahn geführt, sodass sich das Pferd nicht mehr nur auf zwei, sondern auf drei Hufschlägen bewegt. Um das zu erreichen, muss sich das Pferd biegen und Last auf die Hinterhand aufnehmen.
Reitet man das Schulterherein auf drei Hufschlägen, ist die Vorhand des Pferdes soweit nach innen gestellt, dass der innere Hinterhuf in der Spur des äußeren Vorderhufs läuft und somit unter den Schwerpunkt tritt. Von vorne betrachtet sehen wir drei Hufe.
Es gibt auch die Variante das Schulterherein auf vier Hufschlägen zu reiten.
Für mich geht dabei der gymnastizierende Effekt oft verloren. Das Pferd tritt nicht mehr mit dem Inneren Hinterbein in die Spur des äußeren Vorderbeines.
Es gibt allerdings viele Reiter die auf das Schulterherein bewusst auf vier Hufschlägen reiten. Da muss man einfach schauen welche Variante dem eigenen Pferd am meisten nützt.
Warum haben nun alle Reiter so viel Respekt vor dem Schulterherein?
Ganz einfach: Es stellt die Durchlässigkeit auf die Probe.
Sobald ich die Vorhand des Pferdes nach innen führe muss es dem inneren seitwärts treibendem Schenkel folgen, sonst läuft es mit in die Bahnmitte und der schöne Seitengang ist dahin.
Übung macht den Meister!
Travers und Renvers:
Jetzt wird’s kompliziert? Ganz im Gegenteil! Oft sind diese beiden Seitengänge einfacher zu reiten bzw. zu erlernen weil man anfangs die Bande zur Hilfe nutzten kann.
Fast wie beim Schenkelweichen nur eben mit Gymnastizierendem Effekt!
Travers und Renvers sind für die weitere Gymnastizierung des Pferdes besonders wertvoll, da das jeweilige innere Hinterbein vermehrt Last aufnehmen und sich mehr beugen muss.
Wie beim Schulterherein dienen diese beiden Seitengänge der Versammlungsfähigkeit und auch der Balance. Außerdem sind sie die vorbereitenden Lektionen für die Traversalen.
Anders als beim Schulterherein ist das Pferd beim Travers und Renvers in Bewegungsrichtung gestellt und gebogen. Die Abstellung zum Hufschlag beträgt (ähnlich wie beim Schulterherein) etwa 30°. Beim Schulterherein bewegt sich das Pferd auf drei Hufschlaglinie, beim Travers und Renvers auf vier. Das kommt daher, dass im Schulterherein nur die Vorderbeine kreuzen und die Hinterbeine nahezu geradeaus fußen. Im Travers und Renvers dagegen kreuzen sowohl die Vorder- als auch die Hinterbeine.
Beim Travers verbleibt die Vorhand auf dem Hufschlag und die Hinterhand wird in die Bahn hineingeführt. Das Renvers ist sozusagen die Konterlektion zum Travers und unterscheidet sich nur dadurch, dass die Hinterhand auf dem Hufschlag bleibt und die Vorhand in die Bahn hineingeführt wird.
Wieso ist es meiner Meinung nach einfacher ein Travers oder Renvers anstatt eines Schulterhereins zu reiten?
Man hat für das Pferd eine optische Begrenzung. Die Bande.
Natürlich reitet man jeden Seitengang auch irgendwann frei, also ohne Begrenzung durch eine Bande zB. Auf dem Zirkel oder im Gelände, jedoch ist das Erlernen mit Hilfe einer Begrenzung oft einfacher!
Beide Seitengänge sind für mich unverzichtbare Vorübungen für die Traversale!
Traversale:
Die Krönung der Seitengänge und eine Wunderwaffe zum erlernen des fliegenden Galoppwechsels!
In der Traversale bewegt sich das Pferd vorwärts-seitwärts und ist dabei in die Bewegungsrichtung gestellt und gebogen.
Wichtig ist, dass sie in einem gleichbleibenden Bewegungsfluss geritten wird und das Pferd auch in der Vorwärts-Seitwärtsbewegung die Lauffreudigkeit erhält.
Um die Traversale zu erarbeiten, muss der Reiter sein Pferd zu allererst in Bewegungsrichtung stellen.
Hilfreich ist es auch, die Traversale durch Reiten von Schulterherein einzuleiten, da die korrekte Beiging und Stellung dann mit in die neue Lektion genommen werden kann..
Am einfachsten ist es in der Ecke ein Schulterherein zu reiten und sich dann mit den Travers Hilfen um Hufschlag zu „lösen“ und in die Vorwärts Seitwärts Bewegung zu gehen.
Über die Diagonale geht es dann Vorwärts Seitwärts durch die ganze Bahn.
Was sich so einfach anhört ist oft eine knifflige Feinabstimmung mit dem Pferd.
Hier zeigt sich wie eingespielt das Pferd Mensch Team ist und wie klar die Kommunikation funktioniert.
Hat man alle Seitengänge korrekt erarbeitet, ist die Traversale nur noch eine Kombination aus Travers und Schulterherein mit etwas mehr Vorwärts!
Für mich ist die Traversale im Galopp geritten ein hervorragendes Instrument um einen korrekt gesprungenen fliegenden Wechsel zu erarbeiten. Das Pferd wird sich am Ende einer Traversale freuen, sich aus dieser Lektion lösen zu können und in den neuen Galopp flüssig rein springen zu dürfen.
Wie bei allem gilt auch in der Reiterei: Viele Wege führen nach Rom und vor allem habe ich nicht die Weisheit mit Löffeln gefressen.
Ich kann euch in meinem Blog nur von unseren Erfahrungen mit den Seitengängen berichten und euch einen kleinen Einblick in unsere Arbeit geben.
Es gibt hier noch viele andere Meinungen.
Jeder muss seinen eigenen Weg gehen.
Ich kann mich nur wiederholen.
Ohne die Seitengänge (wie ich sie verstehe und sie euch hier beschrieben habe), wäre Bill heute nicht so ausbalanciert und leichtrittig!
Für uns ist es das täglich Brot ob an der Hand oder unter dem Sattel.
Wie sieht es bei Euch aus? Wie wichtig sind euch die Seitengänge im Training?
Reitet ihr auch Seitengänge oder erarbeitet sie mit eurem Pferd an der Hand?
Ich würde mich sehr über Kommentare von euch freuen!
Liebe Grüße und bleibt GESUND!
Eure Jenny
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Lisa (Samstag, 27 November 2021 10:26)
Liebe Jenny, danke für diese kurze und interessante Erklärung der Seitengänge. Für mich sind sie auch essentiell vom Boden wie auch vom Rücken aus. Wir stehen noch ganz am Anfang damit und fuchsen uns noch rein. Aber ich habe schon jetzt gemerkt wie viel es meinem Pferd hilft sich mehr zu heben und in schöner Aufrichtung zu gehen. Hab einen Quarter Mix Wallach, der von seiner Veranlagung her auch eher vorderhandlastig ist. Freue mich immer zu sehen was du dir alles mit Bill erarbeitet hast, das motiviert mich dran zu bleiben. GLG
Annett (Samstag, 27 November 2021 20:18)
Danke für die guten Erläuterungen. Ich finde Seitengänge unheimlich schwer zu reiten, einfach auch weil ich gar nicht weiß wie es sich anfühlen muss wenn man drauf sitzt. An der Hand baue ich es immer wieder ein und finde es tausend mal einfacher da ich ihn gut mit der Gerte dirigieren kann und vorallem das Ergenis auch direkt sehe.